Während in den USA Opioide wie Fentanyl einen verheerenden Siegeszug in weiten Teilen der Gesellschaft antreten und zu mittlerweile zehntausenden Todesopfern jedes Jahr führen, führt der Missbrauch von Medikamenten aus der Gruppe der Opioide und Benzodiazepinen in Deutschland zum Glück noch ein Nischendasein. Dass aber auch hierzulande der Konsum unter Jugendlichen leicht ansteigt, zeigten Forscher vom Centre of Drug Research (CDR) von der Goethe-Universität Frankfurt, die kürzlich ihre Ergebnisse der Studie „BOJE – Benzodiazepin- und Opioidkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – empirische Erkundungen und Entwicklung von Präventionsempfehlungen“ der Öffentlichkeit vorstellten. Dabei stellten sie auch heraus, warum bei der Verschreibung der Medikamente viel Aufmerksamkeit von Patienten und Ärzten gefordert ist.

Prävalenz bisher kaum erforscht

Das Projekt BOJE beschäftigte sich mit dem Konsum von Benzodiazepinen und Opioiden unter Jugendlichen und Heranwachsenden außerhalb von offenen Drogenszenen. Seit Mitte der 2010er-Jahre seien solche Substanzen insbesondere von Rappern verstärkt thematisiert worden. Zudem habe es Hinweise aus einigen wenigen empirischen Daten sowie der Drogenhilfe gegeben, dass sich derartige Stoffe stärker unter jungen Menschen verbreitet hätten. BOJE habe deshalb zum Ziel gehabt, mehr über die generelle Prävalenz unterschiedlicher Benzodiazepine und Opioide unter jungen Menschen, Mo-tive für den Konsum inklusive der Rolle der Popkultur, riskante Gebrauchsmuster, andere assoziierte Probleme, mögliche Schwerpunkte hinsichtlich bestimmter Gruppen und Beschaffung herauszufinden, erklärte Dr. Bernd Werse, Leiter des Centre of Drug Research, bei einer digitalen Pressekonferenz.

Für die Untersuchung wurden unterschiedliche Methoden verwendet, Grundlage war eine quantitative Befragung mit 1.148 14- bis 30-jährigen Drogenerfahrenen und 15 persönliche qualitative Interviews mit jungen Menschen.

Gestohlene Medikamente

Alle Teilnehmer hatten schon einmal Cannabis konsumiert, viele auch Kokain oder Amphetamine. Bei Benzodiazepinen und Opioiden lag die Lebenszeitprävalenz bei 55 Prozent, 26 Prozent Prävalenz, wenn nach den vergangenen 30 Tagen gefragt wurde. Die am häufigsten konsumierten Benzodiazepine waren Alprazolam, Diazepam und Lorazepam; häufigste Opioide Tilidin, Codein, Tramadol und Oxycodon.

Betrachte man alle Jugendlichen (15 bis 18 Jahre), sei die Konsumerfahrung seit 2016 in der Bevölkerung von einem sehr niedrigen Niveau von unter ein Prozent auf etwa vier Prozent für Opioide und etwa zwei Prozent für Benzodiazepine gestiegen. Für junge Erwachsene bis 30 Jahre liege die Prävalenzen etwas höher bei etwa 7 Prozent für Opioide und fünf Prozent für Benzodiazepine.

Gut die Hälfte der Befragten gab an, auch das aus Amerika bekannte Getränk „Lean“ oder „Purple Drink“ probiert zu haben. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Codein und Promethazin, dass in einem in den USA zugelassenen Hustensaft enthalten ist und selbst gemischt wird. Gerade in der Rapmusikszene erfreue sich diese Droge zusammen mit Tilidin größerer Beliebtheit, da diese Drogen unter anderem häufiger in Songtexten erwähnt werden, so Werse.

Die Hälfte der Konsumenten gab an, die Opioide und Benzodiazepine vor allem aus dem privaten Umfeld erhalten zu haben, gefolgt von Privatdealern, Internet und erschlichenen oder gefälschten Rezepten. Nicht selten spielen auch Diebstähle bei bei der eigenen Familie eine Rolle. Zur Prävention dieses Missbrauchs sei deshalb sowohl von Patienten als auch Ärzten erhöhte Aufmerksamkeit gefordert, wenn etwa früher als gewöhnlich nach einem erneuten Rezept gefragt werde. Häufig bemerken die Patienten aber den Diebstahl aus der eigenen Familie nicht, deshalb sei Aufklärung über sicheres Verwahren der Medikamente nötig, so Forschungsleiter Werse.

Unterschiedliche Konsummotive

Bei der Frage nach den Konsummotiven unterschieden sich die Gründe nach den Medikamentenklassen. Der Wunsch, Glücksgefühle zu erleben, spiele bei Opioiden eine größere Rolle als bei Benzodiazepinen. Bei Letzteren stehe eine Selbstmedikation von Angststörungen oder Depressionen im Vordergrund. Am häufigsten wurden Wünsche nach besserem Schlaf, bessere Entspannung und das Abschalten vom Alltag als Konsumgründe genannt.

Schwere Nebenwirkungen schilderten die Befragten vor allem nach Mischkonsum mit Alkohol. Dazu gehörten unter anderem Kreislaufprobleme bei 13 Prozent, Erbrechen bei zwölf Prozent und Bewusstlosigkeit bei vier Prozent. Die meisten der Konsumenten entwickelten allerdings keinen problematischen Gebrauch. In Verbindung mit psychischen Problemen sei das Risiko allerdings erhöht.

Empfehlungen für die Prävention

Rüdiger Schmolke von der Fachhochschule Potsdam betonte im Hinblick auf die Prävention, dass das Suchtpotenzial und das Überdosierungsrisiko jungen Menschen bewusst gemacht werden müsse. Dabei verwies er auf die Verwandtschaft von Codein und Heroin. Weil es sich um eine eher kleine Gruppe von Konsumierenden handele, riet er von groß angelegten Werbekampagnen zur Prävention ab. Infomaterial solle beispielsweise gezielt in bekannten Szenen oder Festivals zur Verfügung gestellt werden und auch die Packungsbeilagen mit einfacher Sprache ausgestattet sowie wichtige Risiken auf der Verpackung kurz aufgelistet werden.

Lukas Reus