Dr. med. Johannes Flechtenmacher, Prof. Dr. med. Johannes Stöve, Prof. Dr. med Bernd Kladny

Mit dem Begriff Arthrose werden Erkrankungen bezeichnet, die zwar unterschiedliche Ursachen haben, aber mit einem ähnlichen biologischen und klinischen Krankheitsbild einhergehen und zu einem fortschreitenden Gelenkversagen führen [1]. Charakteristisch für diese Erkrankung ist der progrediente Verlust des Knorpels – insbesondere der Knorpelmatrix –, die subchondrale Sklerosierung und die Bildung von knorpeligen und knöchernen Anbauten am Ansatz der Synovialmembran, die als Osteophyten bezeichnet werden. Die typischen Symptome einer Arthrose sind Schmerz, Blockierung des Gelenks und die Einschränkung des Bewegungsumfangs, was die Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Das führt zur Verminderung der Lebensqualität und kann zum Rückgang der sozialen Teilhabe führen. Arthrose induziert in der Regel einem erheblichen Leidensdruck. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Alter, Geschlecht, Gewicht und strukturelle Gelenkverletzungen in der Anamnese [2–5]. Am häufigsten sind die beiden lastentragenden Gelenke Hüfte und Knie betroffen, folglich dominieren Kox- und Gonarthrosen.

Was sagt die Epidemiologie?

Aufgrund der alternden Bevölkerung gehört Arthrose zu den häufigsten Erkrankungen in der Bundesrepublik [6]. Bei der Koxarthrose variieren die Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz mit der Art und Weise, wie die Diagnose gestellt wird. Die höchsten Prävalenzwerte ergeben sich bei der Auswertung von Röntgenbildern, die höchsten Inzidenzwerte bei Befragungen.

2018 publizierten Endres et al. eine Studie [7] zur Versorgungsrealität von Koxarthrosepatienten der AOK Baden-Württemberg. Demnach hatten weibliche AOK-Versicherte über 40 Jahre eine altersstandardisierte mittlere Koxarthroseprävalenz von 6,18 %, Männer von 6,02 % – bei einem typischen Altersanstieg. Die höchste Prävalenz hatten beide Geschlechter ab dem 85. Lebensjahr (Frauen: 17,36 %, Männer: 16,52 %), wobei die Geschlechtsunterschiede erst nach dem 75. Lebensjahr signifikant wurden. Ab dem 85. Lebensjahr hatte demnach rund jeder 6. AOK-Versicherte eine Koxarthrose. Die Koxarthroseinzidenz lag bei den AOK versicherten Frauen ab 40 Jahren bei 0,65 %, bei Männern bei 0,62 %. Dieser Unterschied war nicht signifikant. Die Zahlen steigen mit zunehmendem Alter nahezu linear an und erreichen bei beiden Geschlechtern zwischen dem 80. und 84. Lebensjahr Maximalwerte (Frauen 1,31 %; Männer 1,16 %). Frauen wurden häufiger als Männer operiert.

Aktuelle Zahlen zum Verschleiß des Kniegelenks lassen sich aus dem Versorgungsreport 2022 zur Gonarthrose bei den 1,1 Millionen Versicherten der DAK-Gesundheitskasse entnehmen [8]. Demnach erkranken rund 1 % der DAK-Versicherten jedes Jahr neu an Gonarthrose. Die durchschnittliche Häufigkeit der Neuerkrankungen in der Bundesrepublik liegt bei 8,7 je 1.000 Versicherte. Am niedrigsten ist sie in Hamburg, am höchsten in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. 5,7 % der DAK-Versicherten haben eine symptomatische Gonarthrose.

Die beiden Studien zur Kox- und Gonarthrose zeigen, dass die meisten Patienten konservativ behandelt werden. In der Studie von Endres et al. erhielt jeder achte AOK-Versicherte aus Baden-Württemberg innerhalb eines Jahres nach der Erstdiagnose einer Koxarthrose eine Hüft-TEP (13 %), jeder Vierte innerhalb von acht Jahren (24,8 %). Dreiviertel der Patienten mit Koxarthrose waren in dem Jahr vor der Operation nicht mehr in ambulanter fachärztlicher Betreuung und deutlich weniger als die Hälfte hatten keine Heilmittelverordnung erhalten.

Nach dem DAK-Versorgungsreport wurden 4 % der Neuerkrankten mit Gonarthrose innerhalb von zwei Jahren mit einer Knie-TEP versorgt, von den Versicherten mit symptomatischer Gonarthrose erhielten 9,5 % innerhalb von fünf Jahren einen Kniegelenkersatz. In der DAK-Studie hatten 15 % der Versicherten im Jahr vor der Knie-TEP keinen Behandlungskontakt zu einem niedergelassenen Orthopäden und Unfallchirurgen, 7 % in den fünf Jahren vor dem Eingriff. Bei 13,5 % wurde in den fünf Jahren vor der Krankenhausaufnahme bei der ambulanten Behandlung des Knies kein Röntgenbild des Gelenks gemacht. 43,3 % der Betroffenen war in den fünf Jahren vor der Knie-TEP keine Physiotherapie verordnet worden.

Damit zeigen die Studien unmissverständlich, dass Knie und Hüfte auch dann ersetzt werden, wenn zuvor nicht alle fachärztlichen oder konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind. Dabei beruht der Behandlungserfolg bei muskuloskelettalen Erkrankungen und Verletzungen darauf, dass je nach Erkrankung oder Verletzung Hausärzte, Orthopäden und Unfallchirurgen, Neurologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Orthopädieschuhmacher und -techniker sowie Sportwissenschaftler bei der Versorgung der Patienten zusammenarbeiten.

Allen ambulanten und stationären Behandlungsteams sollte klar sein, dass Behandlungserfolge letztlich nur fachübergreifend und berufsgruppenübergreifend zu erzielen sind und auch zukünftige Anforderungen nur miteinander bewältigt werden können. Das ärztliche Primat der Diagnose- und Indikationsstellung ist für jeden Arzt und jede Ärztin immer auch eine Verpflichtung zur Kommunikation und Kooperation.

Wie wird die Arthrose diagnostiziert?

Eine Arthrose wird über eine beschwerdeorientierte Anamnese zu Schmerz und Funktion der betroffenen Gelenke, einer klinischen Untersuchung und einer Projektionsradiographie diagnostiziert. Dabei geht es immer um die bestmögliche Objektivierung der Symptomatik. Oft erhöht erst die Kombination aus Anamnese, Klinik, Bildgebung und Labor die Wahrscheinlichkeit einer exakten Diagnose. Entscheidend sind dabei auch die beiden Entzündungsparameter CRP/BSG. Allen Behandlern sollten vor Einleitung einer medikamentösen Therapie zudem die Komorbiditäten der Patienten bekannt sein, vor allem die Nieren- und Leberwerte. In der Praxis ist auch die Verwendung von Scores hilfreich. Etwa die visuelle Analogskala zur Messung von Schmerzen (VAS), der WOMAC-Arthrose-Index und der Disease Activity Score DAS 28.

Die Röntgenuntersuchung sollte möglichst am stehenden Patienten durchgeführt werden. Ob ein struktureller – und damit eine Projektionsradiographie – und/oder ein funktioneller Bildgebungsansatz – etwa ein Ultraschall – die beste Wahl für die Bildgebung sind, hängt von der Fragestellung ab, also von der rechtfertigenden Indikation. Diese wird wegen des Strahlenschutzgesetzes [9] vom Untersucher gestellt, nicht vom Überweiser. Allerdings sollte der Überweiser klare Fragestellungen und/oder Verdachtsdiagnosen formulieren. Die deskriptive radiologische Beurteilung erfolgt nach Kellgren und Lawrence [10]. Im radiologischen Befund sollte auch die genaue Lokalisation der Arthrose festhalten werden, zum Beispiel ob sich die Arthrose im Kniegelenk als medial betont, lateral betont, retropatellar betont oder als Pangonarthrose darstellt.

Die MRT ist keine Methode für die initiale Diagnose einer Arthrose. Das bildgebende Verfahren dafür ist und bleibt das Röntgenbild. Abb. 1 zeigt typische Stadien einer Arthrose im Röntgenbild. Mit der MRT lassen sich allerdings intraartikuläre, intraossäre und periartikuläre Strukturen gut beurteilen. Die MRT ist auch das einzige bildgebende Verfahren, mit dem sich der hyaline Gelenkknorpel nicht invasiv beurteilen lässt. Auch Begleitpathologien am Bandapparat, den Menisken oder der Synovia können mit einer MRT zuverlässig nachgewiesen werden [11]. Abb. 2 zeigt, dass mit der MRT auch gelenknahe Perfusionsstörungen diagnostiziert werden können. Der Infokasten am Ende dieses Artikels bietet eine Checkliste für die Anamnese.

Was leisten die konservativen Verfahren?

In allen nationalen und internationalen Leitlinien zur Cox- und Gonarthrose gilt die Kombination aus nicht-medikamentösen und medikamentösen Therapien als Goldstandard. Allerdings wird in den Leitlinien nicht konkretisiert, wie lange diese Kombination durchgeführt werden sollte, bis eine endoprothetische Versorgung unumgänglich ist [12]. In Deutschland erhält etwa ein Viertel der Patienten mit Cox- oder Gonarthrose im Verlauf eine Endoprothese [13, 14]. Das heißt im Umkehrschluss, dass drei Viertel der Patienten in Deutschland über einen längeren Zeitraum konservativ behandelt werden, allerdings nicht immer leitliniengerecht und unter Einbindung eines Facharztes oder einer Fachärztin [15–18].

Die konservativen Behandlungen können Schmerzen lindern, die Lebensqualität verbessern, die Beweglichkeit erhöhen und das Fortschreiten der Erkrankung und einen Gelenkersatz hinauszögern. Die aktuelle S2k-Leitlinie: Indikation Knieendoprothese empfiehlt, dass die konservative Therapie leitliniengerecht und konsequent mindestens drei Monate lang vor Endoprothesenimplantation erfolgen sollte [19]. Tab. 1 listet konservative Verfahren mit nachgewiesener Evidenz.

Tab. 1: Konservative Verfahren mit nachgewiesener Evidenz bei der Arthrose

Patientenedukation zum Krankheitsverlauf, ggf. eine Adipositas-Beratung

Medikamentöse Behandlung der Schmerzen

Physiotherapie und physikalische Therapie gegen vorzeitigen Muskelschwund, für mehr Muskelkraft und mehr Koordination

Manuelle Medizin für eine Änderung des Muskeltonus und einer Beeinflussung der Reizschwelle

Bewegungstherapie inklusive Sporttherapie

Kältetherapie bei entzündlichen Intervallen

Wärmetherapie im chronischen Stadium. Die Weitstellung der Gefäße verbessert die Durchblutung, entspannt die Muskulatur und hebt die Schmerzschwelle an.

Elektrotherapie für eine Veränderung der Schmerzweiterleitung zum Gehirn

Akupunktur bei Kniearthrose-Schmerz

Beratung und Bewegung gehören zur Therapie der Arthrose

In der Vergangenheit haben mehrere Publikationen die wissenschaftliche Evidenz nahezu aller Therapiemöglichkeiten bei Patienten mit Arthrose bewertet und dabei auch den Wert der Beratung als Teil der konservativen Therapie unterstrichen. [20–25]. Beraten werden sollte über den Krankheitsverlauf – zum Beispiel darüber, dass es schmerzhafte und schmerzlose Phasen gibt – über die Medikation, aber auch über die Möglichkeiten, durch eine Gewichtsreduktion oder regelmäßigen Sport selbst Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu nehmen. Die Beratung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Arzt-Patienten-Beziehung und der gemeinsamen Entscheidungsfindung bei einer anstehenden Endoprothesenversorgung.

Auch die Sport- und Bewegungstherapie spielt in der Behandlung chronischer und degenerativer Erkrankungen eine immer größere Rolle. Obwohl körperliches Training nach dem heutigen Wissensstand keinen direkten Einfluss auf die pathophysiologischen Veränderungen im arthrotischen Knorpel hat und eine weitere Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels nicht aufhalten kann, haben Koordinations-, Ausdauer- und Krafttraining einen nachweislich positiven Effekt auf die Schmerzsymptomatik, die Gelenkbeweglichkeit, die Kraft, das Gleichgewicht und die allgemeine Beweglichkeit der Betroffenen [26–29]. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Bewegungstherapie ähnliche klinische Effekte hat wie die medikamentöse Therapie [30]. Im Grunde ist Bewegung ein hoch dosiertes Medikament. Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Bewegungstherapie günstig auf die bestehenden Komorbiditäten auswirkt. Empfohlen wird ein supervidiertes Training an drei Tagen pro Woche für acht bis zwölf Wochen mit mindestens 24 Trainingseinheiten. Eine niedrigere Therapiedichte (1x pro Woche) ist ineffektiv. Die Intensität, die für eine positive Wirkung nötig ist, ist bedeutend höher als das, was im deutschen Gesundheitssystem mit einem Heilmittelrezept oder einer Rehasportverordnung vorgesehen ist.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie der Arthrose stellt eine rein symptomatische Behandlung dar, die dem Erhalt der Mobilität dient. Patienten mit Arthrose sind in der Regel älter. Eine Auswertung des Patientenkollektives des Selektivvertrags 73c in Baden-Württemberg durch das Aqua Institut zeigt zudem [31], dass viele Arthrosepatienten signifikante Komorbiditäten haben. Tab. 2 gibt einen Überblick über diese Komorbiditäten. Die Daten stammen aus der Auswertung des Aqua-Instituts. Sie müssen bei Wahl der Medikamente berücksichtigt werden. Deshalb ist die bidirektionale Kommunikation zwischen Hausarzt und Facharzt besonders wichtig. Medikationsfehler und vermeidbare Nebenwirkungen lassen sich durch eine enge Absprache sowie durch die Kenntnis aller zusätzlich eingenommenen Medikamente vermeiden, verordnete wie OTC-Präparate.

Tab. 2: Komorbiditäten bei Patienten mit Gon- und Koarthrose: Die Multimorbidität muss bei der Therapieplanung berücksichtigt werden

Orthopäden (285 Praxen*)

Chirurgen (127 Praxen*)

Patienten mit Gon-/Koxarthrose**

52.531

16.596

Erkrankungen des Kreislaufsystems

64,9 %

63,9 %

Rückenschmerzen

63,0 %

57,5 %

Arthrose an versch. Gelenken

41,4 %

38,6 %

Lipidstoffwechselstörungen

38,1 %

37,1 %

Depression

25,1 %

24,1 %

Diabetes mellitus Typ 2

23,5 %

22,9 %

Adipositas

21,2 %

21,0 %

Niereninsuffizienz

7,7 %

8,0 %

Angeborene Deformität (Hüfte/Knie)

1,8 %

1,7 %

*mit Ärzten, die am Facharztvertrag Orthopädie (§ 73c SGB V) teilnehmen;

**Patienten der AOK BW mit ICD M16 bzw. M17 im Quartal 2015/q2; Diagnosen auch aus anderen Praxen [Quelle: Aqua-Institut]

Grundsätzlich gilt auch, dass neben der initialen Diagnose auch der emotionale Status, das soziale Umfeld, die sozialen Netzwerke, das Gesundheitsverständnis der Kranken, Erwartungen, Stimmungen und Schlafqualität erhoben werden sollten, weil sie die therapeutische Wirksamkeit einer Therapie und die Compliance beeinflussen.

Arthrose wird mit einem breiten Spektrum an Arzneimitteln behandelt, vor allem mit Antiphlogistika, Analgetika, potenziell knorpelaktiven Medikamenten und Phytopharmaka. Für die intraartikuläre Therapie der Arthrose stehen Glukokortikoide, Hyaluronsäure und Platlet Rich Plasma (PRP) zur Verfügung [32]. Es sei hier auch auf die Leitlinie Gonarthrose der AWMF verwiesen (siehe Abb. 3.)

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

Bei den Antiphlogistika wird als Erstlinientherapie in der deutschen Leitlinie Gonarthrose die topische Therapie mit NSAR empfohlen. Dies deckt sich auch mit den Empfehlungen der Osteoarthritis Research Society International (OARSI) [33] und des American College of Rheumatology (ACR) [34].

Zu beachten ist, dass für topisch appliziertes Diclofenac wegen seiner Ökotoxizität und vor dem Hintergrund einer steigenden Belastung der Gewässer mit dieser Substanz ein verantwortungsvoller Umgang angemahnt wird. Die Arzneimittelkommission der Apotheker und das Umweltbundesamt raten daher dazu, den Patienten zu empfehlen, die Hände nach der topischen Applikation von Diclofenac erst einmal mit einem Tuch abzuwischen, das dann im Restmüll entsorgt wird, bevor sie die Hände waschen [35, 36]. Oral aufgenommenes Diclofenac wird größtenteils metabolisiert und trägt deshalb weit weniger zur Belastung der Gewässer bei.

Wenn die topische Anwendung nicht ausreichend wirksam ist, besteht die Indikation für die orale Gabe von NSAR. NSAR wirken nicht nur analgetisch, sondern auch antiphlogistisch. In mehreren placebokontrollierten Studien ist die Wirksamkeit von NSAR und selektiven COX-2-Hemmern bei Arthrose hinsichtlich Analgesie und Funktionsverbesserung belegt worden [37–41]. Eine abschließende Empfehlung, welche Substanz die beste Wirkung hat, kann derzeit nicht gegeben werden. Wichtig ist jedoch, dass die vorhandenen Komorbiditäten (z. B. Leber, Niere, AVK) zu berücksichtigen sind. Eine NSAR-Therapie ist keine Dauerbehandlung, da NSAR nach zwei Wochen den Höhepunkt ihrer Wirksamkeit erreichen und diese nach acht Wochen abnimmt [42]. Da die Einnahme von Ibuprofen die antithrombotische Wirkung von Acetylsalicylsäuse (ASS) aufhebt, sollte Ibuprofen deutlich zeitversetzt nach ASS eingenommen werden [43].

Paracetamol

Patienten mit Gon- und Coxarthrose sollten nicht mit Paracetamol behandelt werden. Mehrere Netzwerk-Metaanalysen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Paracetamol bei diesen Erkrankungen keine klinisch relevante schmerzlindernde Wirkung hat [44, 45].

Metamizol

Patienten mit Gonarthrose und Coxarthrose erhalten in Deutschland häufig Metamizol [46]. In den Ländern der europäischen Union, in denen Metamizol vermarktet wird, ist es für folgende Indikationen zugelassen: für akute starke Schmerzen nach Trauma oder einem chirurgischen Eingriff, schmerzhafte Koliken, Tumorschmerzen, sonstige akute oder chronische Schmerzen, falls andere therapeutische Maßnahmen kontraindiziert sind und hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht. Die Anwendung bei leichten oder mittelstarken Schmerzen, etwa bei Gonarthrose, gehört nicht den zugelassenen Indikationen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat daher mehrfach angemahnt, Metamizol nur innerhalb der oben genannten Indikationen zu verordnen. Zu den bekannten Nebenwirkungen von Metamizol gehören die Agranulozytose und schwere Blutdruckabfälle bei parenteraler Anwendung [47]. Zusätzlich ist zu beachten, dass Metamizol (ähnlich wie auch Ibuprofen) bei gleichzeitiger Anwendung die Wirkung von Acetylsalicylsäure (ASS) auf die Thrombozytenaggregation vermindern kann [48]. Wenn Metamizol außerhalb der Indikation verordnet wird, sollten die Gründe für die Verordnung und die Aufklärung der Patienten über die potentielle Nebenwirkungen sowie die Sicherungsaufklärung dokumentiert werden.

Glucosamin

Derzeit liegen eine Reihe klinischer Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden Wirkung von Glucosamin vor, das als Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel erhältlich ist [49–53]. Einige Studien wurden teilweise wegen methodischer Unzulänglichkeiten kritisiert und zum Teil vom selben Hersteller finanziert. Eine neuere, auf individuellen Patientendaten basierende Metaanalyse mit fünf industrieunabhängigen Studien zeigt, dass Glucosamin in Bezug auf Schmerzen oder Funktion bei der kurzen und langfristigen Nachbeobachtung nicht besser war als Placebo [54].

Opioide

Es ist weltweit umstritten, Arthrose mit Opioidalgetika zu behandeln, weil Opioide bei der Arthrose keine bessere Wirkung haben als NSAR. Ihr Vorteil besteht nur in der besseren gastrointestinalen Verträglichkeit. Nachteilig ist dagegen der zentralnervöse Effekt der Opioidanalgetika mit vermehrter Sturzneigung, Schwindel und Gleichgewichtsstörung. Es gibt nur sehr wenige Studien zu Opioiden bei Arthrose, eindeutige Studien zum Einsatz von Opioiden bei Gonarthrose fehlen. Die Anwendung opioidhaltiger Analgetika bei Patienten mit Arthroseschmerz sollte nur kurzfristig erfolgen oder bei nicht-operablen Patienten oder bei Patienten, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden [55].

Intraartikuläre Therapieformen

Voraussetzung für eine intraartikuläre Injektion ist die sichere Beherrschung der atraumatischen Injektionstechnik und die Beachtung und korrekte Umsetzung der in den Leitlinien für intraartikuläre Punktionen und Injektionen beschriebenen Hygienevorschriften. Für die intraartikuläre Therapie sind vor allem Glukokortikoide und Hyaluronsäure zu nennen [56]. Randomisierte Studien zeigen, dass intraartikulär applizierte Corticosteroide bei Gonarthrose bis zu vier Wochen schmerzlindernd wirken. Ein Cochrane-Review bestätigte auch die Kurzzeitwirkung bei Schmerzen [57], nicht aber die Verbesserung der Steifigkeit, der Gehstrecke und der Lebensqualität.

Auch Heppner et al. belegen die schmerzhemmende Wirkung der intraartikulär injizierten Corticosteroide [58]. Eine länger dauernde Behandlung mit intraartikulär applizierenden Steroiden kann allerdings zu einer Destruktion des Knorpels und zu einem Fortschreiten der Arthrose führen [59]. Daher sollte die Indikation für eine längere Behandlung streng gestellt werden. Wenn die Verwendung von intraartikulär applizierten Corticosteroiden notwendig erscheint, sollte eine möglichst einmalige, niedrige, aber wirksame Dosis gewählt werden.

Die intraartikuläre Injektion von Hyaluronsäure stellt wegen ihrer anderen Nebenwirkungen eine Alternative zu den NSARs dar, vor allem bei Patienten, bei denen NSARs kontraindiziert sind. Nach einem systematischen Review und einer Metanalyse war es im Vergleich mit Placebo nicht wahrscheinlicher, nach intraartikulärer Injektion von Hyaluronsäure mit und ohne gleichzeitige Gabe von Arthrosemedikamenten eine Nebenwirkung zu erleiden [60]. Die intraartikuläre Injektion von Hyaluronsäure scheint also nach den vorliegenden Studien eine nebenwirkungsarme therapeutische Option zu sein. Abb. 3 fasst den Algorithmus zur medikamentösen Therapie der Gonarthrose zusammen [61].

Lokalanästhetika

Es gibt immer mehr Fallberichte und retrospektive Studien, die eine chondrotoxische Wirkung von intraartikulär applizierten Lokalanästhetika nahelegen. Weil die zytotoxische Wirkung erst nach Monaten nachweisbar sein kann, ist von einer gewissen Dunkelziffer an Schäden auszugehen [62]. Auch die Indikation für eine einmalige intraartikuläre Injektion von Lokalanästhetika sollte streng geprüft werden. Die intraartikuläre Injektion durch Schmerzpumpen sollte gar nicht mehr durchgeführt werden. Die Indikation für eine gleichzeitige Applikation von Corticosteroiden und Lokalanästhetika ins Gelenk sollte wegen des erhöhten chondrotoxischen Potenzials streng gestellt werden.

PRP

Die aktuell verfügbare Evidenz deutet darauf hin, dass die intraartikuläre Applikation von autologem plättchenreichem Plasma (PRP) bei noch nicht fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenks einen therapeutischen Stellenwert haben kann, wobei weitere klinische Studien erforderlich sind, um die optimale Herstellung bzw. Zusammensetzung der PRP-Präparate und ein ideales Anwendungsprotokoll zu identifizieren. Gleiches gilt für die Frage, ob PRP der Hyaluronsäure und ihren modifizierten Formen oder anderen intraartikulär oder auch oral zu applizierenden Wirkstoffen in der konservativen Therapie der Arthrose überlegen ist. Auch hierfür sind weitere geeignete prospektive randomisierte Studien mit hohem Evidenzniveau bei definierten Indikationen und mit längeren Verlaufszeiten empfehlenswert [63]. Die Herstellung von PRP zur therapeutischen Anwendung unterliegt den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, des Transfusionsgesetzes bzw. der Hämotherapie-Richtlinie.

Phytopharmaka

Eine große Zahl phytopharmakologischer Präparate ist derzeit im Handel. Die Variation der Herstellung, die Kombination von Inhaltsstoffen und die unterschiedliche Konzentration von Inhaltsstoffen machen vergleichende Untersuchungen schwierig. Zu einer ggf. möglichen Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo kann demzufolge keine Aussage gemacht werden.

Wie wird die Entscheidung zur Operation getroffen?

Die Entscheidung wird immer im engen Kontakt mit dem Patienten getroffen. Denn bei Arthrose und chronischen Rückenschmerz ist die Indikationsstellung nicht so einfach wie bei anderen Erkrankungen. Es gibt es keine eindeutigen Laborparameter. Schmerz wird nur über Selbstauskunft gemessen. Die Bildgebung liefert keine eindeutige Diagnostik.

Die Indikation – zum Beispiel zum uni- oder bicondylären Kniegelenkersatz – sollte bei noch nicht konsequent durchgeführter konservativer Therapie nicht zu früh gestellt werden. Sie sollte aber auch bei nicht mehr ausreichend wirksamer Therapie und schweren funktionellen Einschränkungen nicht zu spät gestellt werden. Bei korrekter leitliniengerechter Indikation kann die Implantation einer Endoprothese zu Schmerzreduktion, Funktionssteigerung und Verbesserung der Lebensqualität führen. Für die Entscheidungsfindung eignet sich das Shared Decision Making.

Fazit

Mit dem Begriff Arthrose wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, die sich zwar durch unterschiedliche Ursachen entwickeln, aber mit einem ähnlichen biologischen und klinischen Verlauf einhergehen. Die Erkrankung befällt nicht nur den Gelenkknorpel, sondern das gesamte Gelenk, einschließlich gelenknahem Knochen. Zur Diagnostik gehören die Anamnese, die klinische Untersuchung und die Röntgenuntersuchung in zwei Ebenen, bei spezieller Fragestellung in zusätzlichen Projektionen. Zur differenzialdiagnostischen Klärung sind gelegentlich Laboruntersuchungen oder Schnittbildverfahren notwendig.

Diagnostisch ist zu beachten, dass eine Vielzahl von extraartikulären Erkrankungen Schmerzen im Gelenkbereich, zum Beispiel in der Hüfte, provozieren kann, Diese sind durch eine ausgiebige und korrekte klinische Untersuchung, ggfs. mit Heranziehung von bildgebenden Verfahren auszuschießen. Mehrere Publikationen haben die wissenschaftliche Evidenz nahezu aller Therapiemöglichkeiten bei Patienten mit Arthrose bewertet. Beratung, Bewegung und eine an Komorbiditäten adaptierte medikamentöse Behandlung sind die Stützpfeiler einer evidenzbasierten konservativen Arthrose-Therapie.

Dr. med. Johannes Flechtenmacher, Ortho-Zentrum – Orthopädische Gemeinschaftspraxis am Ludwigplatz, Waldstr. 67, 76133 Karlsruhe (Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie), E-Mail: flechtenmacher@bvou.net

Prof. Dr. med. Johannes Stöve, Orthopädische und Unfallchirurgische Klinik St. Marienkrankenhaus, Salzburger Str. 15, 67067 Ludwigshafen

Prof. Dr. med Bernd Kladny, m&i-Fachklinik Herzogenaurach, In der Reuth 1, 91074 Herzogenaurach, (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie)

Die Literaturhinweise finden Sie hier.

Hilfreiche Fragen für die Anamnese bei Hüft- und Kniebeschwerden

  • Haben Sie Schmerzen in der Leiste, im Oberschenkel oder im Knie?
  • Handelt es sich um Ruhe- oder Bewegungsschmerzen?
  • Treten die Schmerzen auch in der Nacht auf?
  • Erleben Sie eine Morgensteifigkeit, die länger als 30 Minuten andauert, aber weniger als 60 Minuten?
  • Wie lang ist Ihre maximale Gehstrecke?
  • Haben Sie auch Schmerzen in anderen Gelenken oder Rückenschmerzen (generalisierte Erkrankung?)
  • Ist das betroffene Gelenke schon einmal behandelt worden: medikamentös, mit Physio- und physikalischer Therapie oder mit einer Operation?
  • Hatten Sie frühere Hüftgelenkserkrankung, z. B. eine Hüftdysplasie, eine Perthes’sche Erkrankung oder eine Epiphysiolysis capitis femoris?
  • Haben Sie sich schon einmal an dem Gelenk verletzt? Ist es damals operiert oder anderweitig behandelt worden?
  • Unter welchen Begleiterkrankungen leiden Sie, insbesondere an Herz, Leber oder Niere? (Wichtig für die Medikation)
  • Welche Medikamente nehmen Sie ein, verordnet oder rezeptfrei? (Wichtig für Medikation)
  • Leiden Sie unter einer entzündlichen Gelenkerkrankung, zum Beispiel unter rheumatoider Arthritis, Spondylo- arthritis oder Psoriasisarthritis?
  • Nehmen Sie Steroide ein?
  • Sind Sie an Krebs erkrankt?
  • Haben Sie einen BMI über 25? (Prädisponierender Faktor)
  • Sind in Ihrer Familie häufig Koxarthrosen und Hüftdysplasien aufgetreten?
  • Gibt es belastende Stellungen beim Sex?
  • Wie ist Ihr biomechanisches Belastungsprofil? Heben Sie zum Beispiel regelmäßige Lasten über 25 kg? (Risikofaktor für Koxarthrose)
  • Leiden Sie unter Stoffwechselstörungen, etwa einer Hyperurikämie oder Diabetes mellitus?
  • Rauchen oder trinken Sie regelmäßig Alkohol? (Erhöhtes Risiko für Koxarthrose und Hüftkopfnekrose)
  • Sind Sie privat oder beruflich stark belastet?
  • Meiden Sie Bewegung und soziale Kontakte?

Des Weiteren ist wichtig:

  • Gibt es Hinweise für Somatisierungstendenzen oder somatoforme Störungen?
  • Gibt es für die akute oder chronische Schmerzanamnese ausreichende medizinische Erklärungen?
  • Mit welchen Überzeugungen und Erwartungen ist der Patienten oder die Patientin in die Praxis gekommen?

Multiple-Choice-Fragen

Die Multiple-Choice-Fragen zu dem Artikel „Arthrose – Therapie neu denken“ von Dr. med. Johannes Flechtenmacher, Prof. Dr. med. Johannes Stöve und Prof. Dr. med Bernd Kladny finden Sie im Portal sowie sowie in der PDF-Version dieses Artikels. Die Teilnahme zur Erlangung von Fortbildungspunkten ist ausschließlich online über das Portal vom 25. Januar 2024 bis 24. Juli 2024 möglich. Die Fortbildung ist mit zwei Punkten zertifiziert. Mit Absenden des Fragebogens bestätigen Sie, dass Sie dieses CME-Modul nicht bereits an anderer Stelle absolviert haben. Dieser Artikel hat ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Nach Angaben der Autoren sind die Inhalte des Artikels produkt- und/oder dienstleistungsneutral, es bestehen keine Interessenkonflikte. (red)