Die ärztliche Aus- und Weiterbildung bestimmt unseren beruflichen Alltag, jedoch müssen wir seit Jahren feststellen, dass die Lehre in der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland in vielen Punkten mangelhaft und verbesserungswürdig ist. Bestimmt wird der Arbeitsalltag vieler nicht von der eigenen Weiterbildung, sondern insbesondere von steigenden Fallzahlen, Personalmangel, zunehmender Ökonomisierung der Abläufe, ausufernder Dokumentation und der Ausführung nicht-ärztlicher Tätigkeiten. Ohne qualifizierten ärztlichen Nachwuchs sehen wir die medizinische Versorgung in Deutschland in Gefahr.

Das Thema wird bisher von vielen Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen vernachlässigt und Stand November 2023 auch in den bisher veröffentlichten Arbeitsentwürfen des Bundesgesundheitsministeriums zur geplanten Krankenhausreform bislang nicht aufgegriffen.

Wir erachten die Krankenhausreform als Chance, wichtige und notwendige strukturelle Veränderungen in der ärztlichen Weiterbildung in die Wege zu leiten, um somit die Basis der ärztlichen Versorgung auf fachärztlichem Standard in Deutschland zukunftsfähig zu machen. Hierfür muss die Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung ausreichend berücksichtigt werden. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen dazu befähigt werden, der Lehre in der ärztlichen Weiterbildung im Arbeitsalltag Zeit und Infrastruktur einräumen zu können. Nur so können hierfür notwendige Geräte vorgehalten und ein suffizienter Personalbedarf mit ausreichendem Supervisionsverhältnis etabliert bzw. aufrechterhalten werden. Diese Finanzierung der Strukturen einer ärztlichen Weiterbildung erachten wir als eine vom an die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) gezahlten Entgelt unabhängige Notwendigkeit.

Daher hat das BJÄ gemeinsam mit der AG Junge Gastroenterologie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Young DGN (Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin) ein grundlegendes Positionspapier zur ärztlichen Weiterbildung erarbeitet, in welchem wir konkrete Forderungen an die Gesetzgebung, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie an die Ärztekammern stellen.

Bezüglich der ärztlichen Weiterbildungsinhalte ist die Souveränität der ärztlichen Selbstverwaltung sowie Weiterbildungsbefugten gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern unumstößlich. Gleichwohl sind Strukturveränderungen seitens der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber hin zu einer modernen Gestaltung des Arbeitslebens dringend erforderlich.

Unsere Kernforderungen

Von der Gesetzgebung:

  1. Gesetzliche Regelung der Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung, welche eine intersektorale Förderung von Weiterbildungsstellen in allen Fachbereichen umfasst.
  2. Schaffung der Rahmenbedingungen für eine angemessene Supervision in der ärztlichen Weiterbildung mittels einer Regelung zur ärztlichen Personalbedarfsbemessung.
  3. Querschnittsfächer, welche keine eigenen Leistungsgruppen haben (bspw. Anästhesie, Radiologie, Mikrobiologie, Labormedizin, Arbeitsmedizin), sind essenziell für den klinischen Alltag und müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
  4. Entwicklung gesetzlicher Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit.

Von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern:

  1. Aufwertung der Lehre im Berufsalltag während der ärztlichen Weiterbildung.
  2. Gewährleistung einer angemessenen Supervision in der ärztlichen Weiterbildung durch Fachärztinnen und Fach- ärzte.
  3. Garantie, dass die in der Weiterbildungsordnung geforderten Leistungen, id est verpflichtende Weiterbildungsabschnitte („Rotationen”), innerhalb der Regelweiterbildungszeit durchgeführt werden können, ggf. auch über Weiterbildungsverbünde.
  4. Sicherstellung von mindestens fünf bezahlten Weiterbildungstagen im Jahr für Ärztinnen und Ärzte.
  5. Schaffung von Unterstützungsangeboten zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit.

Von den Ärztekammern:

  1. Förderung von Weiterbildungsverbünden zwischen Kliniken/Praxen, Praxen/Praxen und/oder Kliniken/Kliniken mit Kooperationen zu fest organisierten Rotationen.
  2. Kontrolle der Durchführung und Dokumentation der Weiterbildung mit modernen Ansätzen id est unter Verwendung digitaler Lösungen.
  3. Einheitliche Qualifizierung der Weiterbildungsbefugten (Train the Trainer).
  4. Erhebung und Veröffentlichung transparenter Statistiken zu den Weiterbildungsbedingungen in den Weiterbildungsstätten.
  5. Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, deren Arbeitsbedingungen sich aufgrund persönlicher Lebensumstände (Familienplanung, Krankheit, etc.) ändern.

Es liegt weder im Interesse der Kliniken noch der ÄiW, wenn sich die Weiterbildungszeit verlängert, weil Inhalte nicht vermittelt wurden oder Zeiten in der Weiterbildung nicht anerkannt werden.

Gute Weiterbildung ist hochrelevant, um die Attraktivität einer klinischen Tätigkeit zu stärken und das Abwandern von Absolventinnen und Absolventen und ÄiW in medizinferne Bereiche oder ins Ausland zu verhindern. Dies ist umso dringlicher in Hinblick auf den Fachkräftemangel, der sich durch die Vielzahl in Rente gehender Ärztinnen und Ärzte verschärfen wird. Ziel sollte daher sein, die Teilhabe aller ärztlichen Mitarbeitenden unter Berücksichtigung von Familie, der eigenen Gesundheit und privater Lebensumstände zu fördern.

Wir appellieren an alle Akteure im Gesundheitswesen, die anstehende Reform als Chance zur Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung zu nutzen und unsere Forderungen in ihren Gremien zu berücksichtigen und diese nach ihren Möglichkeiten bereits jetzt in ihren klinischen Alltag zu integrieren. Die Aufwertung der Lehre in der ärztlichen Weiterbildung würde neben einer langfristigen Verbesserung der Patientenversorgung und Patientensicherheit auch eine Wertschätzung gegenüber der ÄiW darstellen.

Unsere vollständigen Forderungen mit allen unterzeichnenden Fachgesellschaften sowie Berufs- und Dachverbänden entnehmen Sie bitte unserem Positionspapier. https://www.forum-junge-radiologie.de/de-DE/10705/bjae-positionspapier/

Dr. med. Dr. med. univ. (UBFM/Belgrad) Eva See für das Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte

Das Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ) vertritt interdisziplinär die Interessen des ärztlichen Nachwuchses in Deutschland. Ziel und Aufgabe des BJÄ ist es, die Berufsbedingungen für eine Medizin der Zukunft zu gestalten.